Literarischer Streifzug: Hans Fallada

Hans Fallada

Hans Fallada

… ich sitze hier so fest im Norddeutschen, dass ich mir keine andere Umwelt zum Produzieren denken kann.“
Aus einem Brief an Johannes Kagelmacher, 1934

Der Schriftsteller Hans Fallada (Rudolf Ditzen) war 1933 von Berlin nach Carwitz gezogen. Mit dem Welterfolg „Kleiner Mann – was nun?“ konnte er sich den Wunsch nach einem eigenen Haus auf dem Lande, nach Geborgenheit für die Familie und nach dem sicheren Ort zum ungestörten Schreiben erfüllen. Auf dem kleinen Bauernhof, der Büdnerei Nr. 17 am Ende des alten Fischerdorfes, war es ihm hier zum ersten Mal im Leben gelungen, eine – wie es schien – tragfähige Existenzgrundlage zu schaffen. In der nahen Umgebung der Kleinstadt Feldberg entstand ein größerer Teil seines epischen Werkes. „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“, „Wir hatten mal ein Kind“, „Altes Herz geht auf die Reise“, „Hoppelpoppel, wo bist du?“, „Wolf unter Wölfen“, „Der eiserne Gustav“, „Kleiner Mann, großer Mann – alles vertauscht“, „Damals bei uns daheim“, „Heute bei uns zu Haus“ sind die bekanntesten der in Carwitz geschriebenen Bücher.

Doch Fallada war nach 1933 mit seinen Texten bereits früh in Kollision mit dem Kulturapparat der Nationalsozialisten geraten. Der Autor, Essayist, Literaturwissenschaftler und Fallada-Biograph Werner Liersch hat die Situation so auf den Punkt gebracht: „Lange hatte er andere Bücher, als die von den Nationalsozialisten verlangten, geschrieben und eine Kette von Diffamierungen ausgelöst. Als 1937 ‚Wolf und Wölfen‘ ihr Opfer wurde, beschränkte er sich auf ‚Unterhaltungsliteratur‘ und setzte auf Durchkommen:
Entschärfende Vorworte für seine Bücher. Ein Roman mit Nazischluß. Eine Reportagefahrt als ‚Sonderführer‘ 1943 für den ‚Reichsarbeitsdsdienst‘ in das besetzte Südfrankreich. Finanziell lukrative Filmprojekte.“
Bereits im Jahr 1935 wurde Fallada zeitweise zum unerwünschten Autor erklärt, der Vertrieb seiner Bücher im Ausland untersagt. Dadurch kam bei den Ditzens mehrfach der Gedanke an Emigration auf, der jedoch immer wieder verworfen wurde. Es steht die Frage, warum Fallada in Deutschland geblieben ist? Werner Liersch verweist trefflich auf mögliche Gründe:
„Zu Falladas Antwort gehört eine Ortsbeschreibung. 1933 ist er in das mecklenburgische Carwitz gegangen, um dort Hitlers vermeintlich kurze Herrschaft zu überstehen. Aber Carwitz ist untauglich für Hitlers wirkliche Herrschaft. Carwitz ist das Dritte Reich als mecklenburgisches Dorf. Der ‚kleine Mann‘ hat sich in einem Ort getäuscht, aber Falladas Problem ist komplexer. Der Autor muß zu seinem Bleiben eine Antwort als Autor finden. Fallada pendelt zwischen der schmucklosen Eröffnung, in keinem anderen Land als Deutschland schreiben zu können und einer patriotischen Inszenierung auf Kosten der Emigranten: ‚Lieber habe ich mich, meine Frau und meine Kinder, allen Gefahren ausgesetzt, als aus der Heimat zu gehen, denn ich bin ein Deutscher . Was wäre ich wohl für ein Deutscher, wenn ich mich in den Stunden der Not und Schmach davon gestohlen hätte zu einem leichteren Leben?‘ Im August 1945 wird der in Deutschland gebliebene Frank Thieß sich einen ähnlichen Freibrief ausstellen. Fallada auf seinen nicht zurückkommen.“ (Werner Liersch)
Dass Hans Fallada sich nicht entschließen konnte, Hitlerdeutschland zu verlassen, hat er mit einem hohen Preis bezahlt, die Beschädigung seines Erzähltalentes waren die unausweichliche Folge. Fallada schrieb vorwiegend Unterhaltungsromane und Kinderbücher. Gemessen an seinen großen sozialkritischen Zeitgemälden wird an Büchern wie „Der ungeliebte Mann“, „Ein Mann will hinauf“, „Die Stunde eh du schlafen gehst“ u.a. ein künstlerische Verlust sichtbar. Dennoch sollte man die Texte nicht vorschnell abwerten und abwehren.
Aber eines zeigt sich: In Falladas Schriftstellerschicksal offenbarte sich das Dilemma eines Künstlers, der sich nicht untreu werden will, und sich doch anpassen muss. Aber ein Nazischriftsteller wurde Fallada nie. Unter diesen besonderen Bedingungen war für Hans Fallada das Leben in Carwitz ausgesprochen anstrengend, belastend und schließlich aufreibend. Die Auswirkungen zeigten sich im Wiederaufbrechen früher Notzustände, Alkohol, Nervenzusammenbrüche, Drogengefährdung.

In der Gegenwart ist Carwitz für Literaturfreunde und Erholungssuchende der Feldberger Seenlandschaft ein besonderer Anziehungspunkt geworden. Das ist verständlich, aber man sollte dabei nicht ausblenden, was Werner Liersch auf den Punkt gebracht hat: In den Jahren nach 1933 waren Feldberg und Carwitz, keineswegs eine Idylle, sondern das „Dritte Reich als mecklenburgisches Dorf“!

Hans Fallada

Lese- und Medientipps:

Bücher:
Hans Fallada, Heute bei uns zu Haus. Berlin 2002
Hans Fallada, Fridolin der freche Dachs. Berlin 2003
Hans Fallada, Kleiner Mann – was nun? Berlin 2000
Hans Fallada, Wolf unter Wölfen. Reinbek bei Hamburg
Hans Fallada, Jeder stirbt für sich allein. Berlin 2000

Filme über Hans Fallada:

Fallada – letztes Kapitel, Filmbiographie. DEFA 1988
Der Trinker. Spielfilm nach Fallada. WDR 1995

Publikationen über Fallada:

Günter Caspar, Falladastudien. Berlin 1988
Uli Ditzen, Mein Vater und sein sohn. Berlin 2003
Werner Liersch, Hans Fallada. Sein kleines großes Leben. Berlin 1981
Jenny Williams, Mehr Leben als eins. Berlin 2002
Carsten Gansel/Werner Liersch (Hg.): Zeit vergessen, Zeit erinnern. Hans Fallada und das kulturelle Gedächtnis. Göttingen 2007
Carsten Gansel/Werner Liersch (Hg.): Hans Fallada und die literarische Moderne. Göttingen 2009