Uwe Johnson Tage 2017 – Dokumente Erzählen – Erzählen in Dokumenten
Montag, 16. September
Kunstsammlung, Große Wollweberstraße 24, 19.30 Uhr
Eröffnung durch Marion Richardt, stellvertretende Chefredakteurin Verlagsgruppe Nordkurier
„Bleib immer ein Mensch. Heinz Drossel. Ein stiller Held 1916 – 2008“. Lesung und Gespräch mit Katharina Stegelmann. Moderation: Prof. Dr. Carsten Gansel, Vorsitzender der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft
Heinz Drossel hatte dank seines katholischen Elternhauses von Jugend an verinnerlicht, dass Menschlichkeit über allem stehen soll. Um sie zu verteidigen, scheute er kein Risiko. Als Wehrmachtssoldat ließ er Rotarmisten entkommen und als Offizier half er in Berlin Juden sich vor den Nazis zu verstecken. Marianne Hirschfeld, eine junge Mutter von zwei Kindern, die sich aus Verzweiflung umbringen wollte, gehörte dazu. Die Nazis hatten fast ihre gesamte Familie ermordet, sie überlebte im Berliner Untergrund – und traf Heinz nach dem Krieg zufällig wieder. Sie heirateten 1946. Der Neubeginn war für beide schwer, sie blieben Außenseiter. Heinz wurde Richter, hatte aber große Schwierigkeiten sich in der von Nazis dominierten Justiz zu behaupten. Er ließ sich von Westberlin nach Baden Württemberg versetzen, wo er es zum Präsidenten des Sozialgerichts von Freiburg brachte. Erst im Jahr 2000, mit der Ehrung als „Gerechter unter den Völkern” und der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2001, wurde Heinz Drossels Widerstand gegen das Unrecht im Nationalsozialismus gewürdigt.
Katharina Stegelmann, geboren 1968 in Dortmund, studierte in Hamburg und London Linguistik und Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sie ist seit 1999 Redakteurin beim Spiegel, seit 2012 im Ressort Kultur; in Spiegel Wissen und Spiegel Geschichte veröffentlicht sie regelmäßig Artikel.
Donnerstag, 19. September
Kunstsammlung, Große Wollweberstraße 24, 19.30 Uhr
„Selbstporträt mit Schusswaffe“. Lesung und Gespräch mit Thomas Fritz. Moderation: Dr. Gundula Engelhard, Mecklenburgische Literaturgesellschaft
Während ihres Dienstes in der NVA an der innerdeutschen Grenze lernen sich Peter Kilian und Achim Schlesinger kennen. Als in den 90er-Jahren Kilian auf rätselhafte Weise ums Leben kommt – in einem runtergekommenen Wirtshaus an der nun verwaisten Grenze – misstraut sein Freund den Ermittlungsergebnissen der Polizei. Auf der Suche nach den wahren Todesumständen wird Schlesinger auch mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert.
„Die ganze schöne Misere einer Jugend in der DDR, von der Ost-West-Liebesgeschichte bis zum unfreiwilligen Dienst an der Staatsgrenze – Selbstporträt mit Schusswaffe ist auch das Porträt einer Generation.“ (Eugen Ruge)
Thomas Fritz wurde 1955 in Halle (Saale) geboren. Nach dem Studium der Germanistik arbeitete er als Verlagslektor und Dramaturg am Theater und beim Rundfunk. „Selbstporträt mit Schusswaffe“ ist sein zweiter Roman.
Freitag, 20. September
Nordkurier, Friedrich-Engels-Ring 29, 19.30 Uhr
Festrede: Günter Rühs, Stadtpräsident Neubrandenburg.
Verleihung: Prof. Dr. Carsten Gansel, Vorsitzender der Literaturgesellschaft. Laudatio: Paul Jandl, Kulturkorrespondent und Kritiker bei der Tageszeitung Die Welt
Lesung und Gespräch mit Matthias Senkel. Moderation: Dr. Gundula Engelhard, Mecklenburgische Literaturgesellschaft
Für seinen Debütroman „Frühe Vögel“ erhält Matthias Senkel den zum fünften Mal vergebenen Uwe-Johnson-Förderpreis der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft. In der Begründung der Jury heißt es, „Matthias Senkel erzählt eine sehr eigene Geschichte über Pioniere der Luft- und Raumfahrt im 19. und 20. Jahrhundert. Das Besondere des Romans liegt in seinem Bekenntnis zum Eigensinn der Erfinder“. Nicht allein der Erzählstoff hebe den Debütroman heraus. Seine Technik der Vermischung von Dokumentarischem und Fiktionalem schaffe einen staunenswerten Erzählton. Mit großer, fast übermütiger Erzählfreude und Originalität umspanne Matthias Senkel ein Jahrhundert der Luftfahrt. Ganz im Sinne von Uwe Johnson suche die Geschichte sich ihre Form.
Matthias Senkel, geboren 1977 in Greiz, lebt und arbeitet in Leipzig. Preisträger des 17. Open Mike sowie Gewinner des Preises der taz-Publikumsjury. Er schreibt Lyrik und Prosa und veröffentlichte seine Texte bislang in Zeitschriften und Anthologien
Mittwoch, 2. Oktober
Neuer Kunstkreis e.V., Max-Sander-Straße 4 (Eingang Steinstraße), Anklam, 19.00 Uhr
„Herkunft kenntlich machen“. Lesung aus Prosa von Uwe Johnson
Im Rahmen der Ausstellung des Neuen Kunstkreises zur Biografie Uwe Johnsons lesen Dr. Gundula Engelhard und Michael Zander, Mecklenburgische Literaturgesellschaft, aus Romanen des in Anklam aufgewachsenen Autors. Uwe Johnson hat in seinen sparsamen autobiografischen Auskünften die Kindheit in Vorpommern verschwiegen. Einigen seiner Romanfiguren gab er Wurzeln in dieser Region. Vor allem in seinem Hauptwerk „Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“ begibt sich der Schriftsteller in „eine Art der Wahrheitsfindung“, um Herkunft im Erzählen zu bewahren.
Freitag, 11. Oktober
Schauspielhaus, Pfaffenstraße 22, 19.30 Uhr
„Nur eine Rose als Stütze“. Lyrik und Prosa von Hilde Domin. Lesung Nina Hoger. Musik Ensemble Noisten
Hilde Domin (1909 – 2006) gilt seit ihrem Debütband „Nur eine Rose als Stütze“ (1959) als eine der wichtigsten deutsche Lyrikerinnen des 20 Jahrhunderts. Mehr als zwei Jahrzehnte wurde die Tochter eines jüdischen Anwalts und Ehefrau des jüdischen Wissenschaftlers Erwin Walter Palm ins Exil nach Italien, Frankreich, Großbritannien und schließlich in die Dominikanische Republik gezwungen. Die promovierte Staatswissenschaftlerin unterstützte die Arbeit ihres Mannes und sorgte durch Deutschunterricht für den Lebensunterhalt. Erfahrungen von Exil und Rückkehr, Sprache und Heimat prägen ihre Dichtung.
Die Schauspielerin Nina Hoger (u.v.a. im „Jahrestage“-Film nach Uwe Johnson) erinnert mit Gedichten, Briefen und Prosa das Leben und künstlerische Schaffen der Dichterin. Lyrik und Schauspielkunst verbinden sich mit Klängen des Ensembles Noisten. Die vier Musiker verflechten musikalische Traditionen der Juden Osteuropas, untypische Instrumente und verschiedene Musikrichtungen zu einem neuen Klezmer-Stil.
Donnerstag, 24. Oktober
Sportgymnasium / Musisches Haus, Lessingstraße 1, 19.30 Uhr
„… sie sprechen von mir nur leise“ – lyrisch-musikalische Hommage an
Mascha Kaléko von Paula Quast und Henry Altmann
Mascha Kaléko, 1907 als Tochter jüdischer Eltern in Galizien geboren, fand um 1930 in Berlin Anschluss an die literarische Boheme. Ihre Gedichte und Prosastücke erschienen regelmäßig in der „Vossischen Zeitung“, sie schrieb Chansons und Texte für das Kabarett. 1933 hatte sie mit dem „Lyrischen Stenogrammheft“ ihren ersten großen Erfolg. 1938 musste sie mit ihrer Familie in New York Zuflucht suchen. Ihre Erfahrungen der Emigration spiegelt der Band „Verse für Zeitgenossen“ wider. 1959 zog sie mit ihrem Mann nach Israel. Auf Vortrags- und Lesereisen besuchte sie mehrfach Europa, auch Deutschland, und begeisterte mit ihren spöttisch-scharfsichtigen Texten wieder ein großes Publikum. Mascha Kaléko starb 1975 in Zürich.
Die Schauspielerin Paula Quast spricht die Werke von Mascha Kaléko im Vertrauen auf die Kraft des einzelnen Wortes. Der Musiker Henry Altmann lässt mit seinen Kompositionen die Melancholie wie die typische Ironie hörbar werden. Die beiden Künstler haben ein neues Genre zwischen Rezitation und Schauspiel geschaffen. Das Programm hat eine ganz eigene Dramaturgie, es entsteht ein Kammerspiel.